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10.09.2018 | News biha | Zurück

„Tinnitus? Ich kenne da jemanden.“ - Der Quälgeist im Ohr wird immer bekannter

Mainz, 7. September 2017 – Mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland leiden an Tinnitus, die Krankheit ist längst in der Gesellschaft angekommen. Hörakustiker leisten bei der Tinnitus-Versorgung wichtige Arbeit. Anlass für die Bundesinnung der Hörakustiker (biha), eine interdisziplinäre Fachtagung für Hörexperten aus ganz Deutschland auszurichten. Dieses Jahr feierte sie ihr 5. Jubiläum – mit einem neuen Besucherrekord: Rund 120 Hörakustiker, HNO-Ärzte und weitere Experten nahmen am „5. Tinnitus-Tag der Deutschen Hörakustiker“ am 5. September 2018 in Frankfurt am Main teil. Schwerpunkt der Fachvorträge in diesem Jahr: Die Tinnitusversorgung und ihre Rahmenbedingungen.

Nach der Begrüßung durch Jakob Stephan Baschab, dem Hauptgeschäftsführer der biha, übernahm Gabriele Gromke, Vize-Präsidentin a.D. der biha, Hörakustiker-Meisterin und Spezialistin in der Tinnitus-Versorgung durch Hörakustiker, die Moderation. Sie führte durch ein Programm, in dem Vertreter der Leistungserbringer, der Tinnitus-Betroffenen und der Medizin zu Wort kamen. Neu waren hingegen die Beiträge von Vertretern der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK).

Volker Albert, Vorsitzender der Deutschen Tinnitus-Liga (DTL), führte in die Fachtagung ein mit einem Rückblick auf 5 Jahre Tinnitus-Tag, dessen Schwerpunkte und den Status quo der Tinnitus-Versorgung. Als Beispiel der großen Probleme der Tinnitus-Betroffenen stellte er die Schreckhaftigkeit vor. Ist die Hörfähigkeit eingeschränkt durch einen Tinnitus, fällt das Filtern der Geräusche schwer. Wichtig wird nicht mehr von unwichtig getrennt, es kann eine Reizüberflutung entstehen und dadurch eine Schreckhaftigkeit. Hier hilft eine Hörsystemversorgung ungemein. Dennoch bleiben Wünsche offen. Die konnte er erfolgreich sowohl vor Leistungserbringern als auch GKV und MDK artikulieren.

Siegrid Meier, Dozentin der Akademie für Hörakustik (afh), ging auf die Zusammenhänge von Hören, Schwerhörigkeit und Tinnitus näher ein, die Arbeit des Hörakustikers in der Tinnitus-Versorgung und die technischen Möglichkeiten. Sie machte noch einmal deutlich, dass eine Tinnitusversorgung immer interdisziplinär stattfinden muss. Experten aus den Bereichen der Hörakustik, der Medizin und Psychologie u.a. sind dabei gefragt und arbeiten eng zusammen.

Dass auch die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und GKV stimmen muss, darauf wies ihr Vortrag bereits hin. Denn in der Tinnitusversorgung hat sich gerade in den vergangenen 5-10 Jahren die Integration von Zusatzfunktionen der Hörgeräte zum Standard entwickelt. Dazu muss der Tinnitus-Betroffene erst beraten und dann versorgt werden. Hier kommen die GKV ins Spiel, denn die Tinnitus-Versorgung ist Teil ihres Versorgungspakets für gesetzlich Versicherten.

Über die „sozialrechtliche und finanzielle Chancen und Risiken einer Tinnitusversorgung“ für die Leistungserbringer, also die Hörakustiker, sprachen Christoph Zamoryn, Fachberater der IKK classic und u.a. zuständig für die Hilfsmittelversorgung, und Alexandra Gödecke, Ass. Jur., Abteilung soziale Sicherung der biha, in ihrem gemeinsamen Beitrag. Beide arbeiten an der Schnittstelle zwischen Leistungserbringern, GKV und Versicherten – einem Spannungsfeld der Interessen. Umso wichtiger ist die sehr gute Zusammenarbeit und umso lebendiger wurde dieser Beitrag auf dem 5. Tinnitus-Tag der Deutschen Hörakustiker diskutiert.

Zamoryn dankte für die Einladung: „Es ist keine Selbstverständlichkeit“. Im Dialog und in der Fachtagung sieht er die Chance auf eine win-win-Situation. „Ich lerne für meine Arbeit auch von Ihnen dazu.“ Denn „es gilt im sozialrechtlichen Rahmen, Gehör zu finden“, gibt er den Hörakustikern mit auf den Weg. Er ging näher auf den bereits 2016 mit der biha geschlossenen Versorgungsvertrag ein und auf etwaige anstehende Änderungen. Hierzu wird er einiges aus der Fachtagung der Hörakustiker mit in die nächste Verhandlung nehmen, wie bspw.: „Beratung ist ein wesentlicher Beitrag der Leistungserbringer.“ Die wollen diese vergütet haben. Gromke: „Sie verlangen Qualitätsstandards, das kostet Zeit. Umso mehr bei einer Tinnitus-Versorgung, die noch intensiver ist. Hier kommen ein großes psychologisches Moment der Betroffenen, ihre Ängste und Stress hinzu, dem begegnet werden muss.“ Das muss sich in den Zahlen widerspiegeln, fordern die Hörakustiker. Diese Forderung würde Zamoryn für seine weitere Arbeit mitnehmen.

Dr. Patrick Schunda sprach als Vertreter des MDK Hessen zu „Der MDK und seine Sicht zur Tinnitusversorgung“. Er ging auf die nationale Leitlinie zur Versorgung eines chronischen Tinnitus ein und deren Zusammenspiel mit dem Gesetz, hier dem Sozialgesetzbuch V. Durch die auf wissenschaftlichen Studien und Evidenz beruhenden Aussagen der Leitlinie und deren Zusammenwirken mit dem Gesetz konnte er sehr gut darstellen, wie und warum manche Entscheidungen fallen, die bspw. den Betroffenen im ersten Moment nicht verständlich erscheinen. Ein Ausblick gab den Leistungserbringern Mut und den Willen, Dinge zu ändern.

Nach einem kurzen Abriss der Geschichte des Tinnitus von Prof. Dr. Gerhad Goebel, ehem. Chefarzt der Schön-Klinik-Roseneck, Prien, ging Dr. Roland Zeh, Chefarzt der Fachklinik für Hörstörung, Tinnitus, Schwindel und Cochlea-Implantate der MEDIAN-Kaiserberg-Klinik Bad-Nauheim auf den „Aktuellen Stand der klinischen Rehabilitation in der Tinnitusversorgung“ ein. Er stellt Tinnitus als einen Tiger dar, der, anders als ein Schoßhund, nicht unbeachtet im Körbchen in der Ecke schläft. Einen Tinnitus-Tiger lässt man aus Angst nicht aus den Augen. Angst ist eines der größten Probleme dieser Erkrankung. Es geht darum, den Betroffenen die Angst vor dem Tinnitus zu nehmen. Erst dann ist es möglich, Tinnitus zu kompensieren. „Heute weiß man, wie ein Tinnitus entsteht“, sagt Zeh. Und obwohl der Tinnitus primär organischen Ursprungs ist, ist „das Ausmaß vom Leiden in erster Linie durch psychische und psychosomatische Faktoren bestimmt“. Bei allen gilt es als erstes, die Hörsituation zu optimieren. Nach Maskierung des Tinnitus und Reduzierung des Hörstresses müssen Entspannung und Ablenkung angegangen und trainiert werden. „Wie ein Bodybuilder muss hier aktiv trainiert werden“, sagt Zeh.

Der Tinnitus-Tag ist vor fünf Jahren parallel mit der von der biha verfassten bundesweit geltenden Leitlinie zur Tinnitus-Versorgung der Hörakustiker implementiert worden. Auf der jährlichen Fachtagung können sich Hörakustiker, HNO-Ärzte, Therapeuten sowie alle, die in die Versorgung von Tinnitus-Patienten involviert sind, austauschen und weiterbilden.

Hintergrund zum Hörakustiker-Handwerk
In Deutschland gibt es etwa 5,4 Millionen Menschen mit einer indizierten Schwerhörigkeit. Tendenz steigend. Schwerhörigkeit zählt zu den zehn häufigsten gesundheitlichen Problemen. Mit 6.200 Hörakustiker-Betrieben und ca. 14.500 Hörakustikern versorgt das Hörakustiker-Handwerk ca. 3,5 Millionen Menschen in Deutschland mit qualitativ hochwertigen, volldigitalen Hörsystemen. Die Bundesinnung der Hörakustiker (biha) KdöR vertritt die Interessen der Hörakustiker in Deutschland.

Pressekontakt:
Bundesinnung der Hörgeräteakustiker
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Dr. Juliane Schwoch
schwoch@biha.de
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